Red Bull-BORA-hansgrohe: Roglic formt ein Superteam
Red Bull-BORA-hansgrohe unter der Lupe: Mit seinem Sieg bei der Vuelta hat Primoz Roglic den Grundstein für ein neues Superteam gelegt. In der kommenden Saison 2024 möchte BORA-hansgrohe, angeführt von Roglic, den Abstand zu den absoluten Top-Teams verringern. Mit der Ankündigung von Red Bull als Hauptsponsor scheinen alle Elemente für einen großen Schritt nach vorne bereit zu sein. Doch die vergangene Saison zeigte, dass Red Bull-BORA-hansgrohe noch nicht das Kraftpaket war, das es sein könnte.
Unter Berücksichtigung namhafter Fahrer wie Primoz Roglic, Daniel Felipe Martínez, Aleksandr Vlasov und Jai Hindley war klar, dass sich Red Bull-BORA-hansgrohe primär auf Etappenrennen konzentrieren würde. Für Tagesrennen verließ sich der Rennplan hauptsächlich auf die Sprinter und Angreifer, was jedoch nicht den gewünschten Erfolg brachte. Jordi Meeus und Sam Welsford, die schnellsten Fahrer des Teams auf dem Papier, konnten im flämischen Frühjahr nicht beeindrucken. Meeus erreichte zwar einen soliden dritten Platz bei Gent-Wevelgem, seine Siege erzielte er jedoch nur in kleineren Etappenrennen.
Im Jahr 2024 zeigte Danny van Poppel erneut seine aggressive Fahrweise und sicherte sich Top-Platzierungen. Er wurde Dritter beim Classic Brugge-De Panne und beendete die Saison mit einem starken sechsten Platz beim Sparkassen Münsterland Giro. Auch Maximilian Schachmann wusste mit soliden Leistungen, insbesondere beim Giro, zu überzeugen, aber die Klassiker blieben ihm verwehrt. In den Ardennen, wo Fahrer wie Martínez, Vlasov und Sergio Higuita eine Schlüsselrolle spielten, blieb der erhoffte Erfolg aus.
Die deutsche Mannschaft war also auf Überraschungen angewiesen, um im Bereich der Eintagesrennen Erfolg zu haben. Der junge Emil Herzog konnte in seinem ersten Profi-Jahr den siebten Platz bei Mailand-Turin erreichen. Überraschenderweise war Roger Adrià der beste Klassikerfahrer des Teams. Der Spanier überzeugte das ganze Jahr über mit konstanten Leistungen, darunter ein Top-Twenty-Platz bei der Amstel Gold Race und ein fünfter Platz in Eschborn Frankfurt. Zudem beendete er die Saison stark mit einem fünften Platz beim Super 8 Classic, einem elften Platz bei der Weltmeisterschaft und einem Sieg beim GP Wallonie. Sollte er nächstes Jahr weiterreichen Fortschritte machen, wird er ein wertvoller Baustein für das Team sein.
Die Ankunft von Roglic war der größte Coup für das deutsche Team. Als viermaliger Grand-Tour-Sieger trat er als wahrer Star ein. Das Hauptziel: Die Tour de France, natürlich. Alles war darauf ausgerichtet, ein Top-Ergebnis in der Tour zu erzielen, mit dem gelben Trikot als ultimativem Traum. Nach einem holprigen Start bei Paris-Nice stellte der Sieg beim Critérium du Dauphiné jedoch einen vielversprechenden Schritt nach vorn dar. Allerdings stellte sich die Tour als herausfordernd für Roglic heraus. Nach elf Tagen lag er bereits über zwei Minuten hinter Tadej Pogacar. Ein Sturz in der zwölften Etappe machte die Sache noch komplizierter, und Roglic musste das Rennen abbrechen.
War die Saison damit schon beendet? Die Vuelta a España wurde zum neuen Ziel, auch wenn nichts sicher war. Glücklicherweise konnte der Slowene bei seinem geliebten Rennen starten. Er bewies erneut, dass er ein Meister in Spanien ist und sicherte sich den vierten Vuelta-Sieg – ein großer Erleichterung und ein dringend benötigter Auftrieb sowohl für Roglic als auch für das Team. Hindley, der zwei Jahre zuvor den Giro gewonnen hatte, war jedoch nur ein Schatten seiner selbst. Martínez belegte beim Giro den zweiten Platz, was ebenfalls ein Highlight war. Sein Podiumsplatz in Italien war beeindruckend, obwohl ein Sieg im Duell mit Pogacar ausgeschlossen war. Vlasov zeigte in kleineren Etappenrennen starke Leistungen, hatte jedoch in den großen Rundfahrten zu kämpfen.
Der Triumph von Roglic bei der Vuelta half Red Bull-BORA-hansgrohe, eine nicht zu schlechte Note zu vermeiden. Der Sieg bei einer Grand Tour zählt zu den bedeutendsten Erfolgen des Jahres. Dennoch war der Rest der Saison eher enttäuschend. Wenn ein Team bei dem wichtigsten Rennen nicht die gewünschten Leistungen erbringt, ist es schwer, von überwältigendem Erfolg zu sprechen. Letztendlich waren Roglics acht Siege von insgesamt 24 für das Team von entscheidender Bedeutung. Daher vergeben wir ihnen eine Gesamtnote von 6.6. Nicht schlecht, aber auch nicht überragend, besonders im Hinblick darauf, dass mehr möglich gewesen wäre.
Ein Ausblick auf 2024/2025: Die deutsche Mannschaft wird sich wohl nicht allzu sehr über 2024 beschweren, besonders mit Blick auf die kommende Radsportsaison. Performance Manager Dan Lorang hat erklärt, dass 2025 der wahre Startschuss fallen wird. Diese Aussage wird durch eine äußerst aktive Transferperiode untermauert. Zunächst die Abgänge: Mehrere wichtige Fahrer werden das Team verlassen. Schachmann, Higuita, Lennard Kämna, Emanuel Buchmann... all dies sind Fahrer, die in den letzten Jahren maßgeblich zum Erfolg des Teams beigetragen haben. Insgesamt werden zwölf Fahrer das Team verlassen, was nichts weniger als eine Abwanderung darstellt.
Auf der anderen Seite wird frisches Talent hinzugefügt. Tim und Mick van Dijke kommen von Visma | Lease a Bike, ebenso wie Roglics Teamkollege Jan Tratnik. Gemeinsam mit Gianni Moscon werden sie das Klassik-Team verstärken, können jedoch vielseitig eingesetzt werden. Gleiches gilt für Oier Lazkano von Movistar, dessen Potenzial noch nicht vollständig ausgeschöpft ist, aber dessen Kletterfähigkeiten und Kraft in den flämischen Frühjahrrennen dem neuen Team einen großen Schub verleihen werden. Laurence Pithie war im Frühjahr 2024 eine Offenbarung und erreichte trotz eines schweren Sturzes den siebten Platz bei Paris-Roubaix. Und nicht zu vergessen: Der Neuseeländer ist erst 22 Jahre alt. Sein Landsmann Finn Fisher-Black ist besser für hügelige und bergige Rennen geeignet und wird ein natürlicher Nachfolger von Sergio Higuita. Und was ist mit Giulio Pellizzari? Der junge Italiener wird diesen Monat 21, hat aber mit einem beeindruckenden Giro (zweiter Platz bei Etappe 16 und zweiter Platz in der Bergwertung) sowie einem starken Herbst (14. Platz beim Tour of Lombardy, 6. Platz bei der Veneto Classic) außergewöhnliches Talent gezeigt. Mit diesen Kletterfähigkeiten könnte Red Bull-BORA-hansgrohe einen genialen Zug gemacht haben.
Angesichts des neugestalteten Teams gibt es hohe Erwartungen an Red Bull-BORA-hansgrohe für die kommende Saison. Das Kader ist überall gestärkt worden. Besonders im Bereich der Klassiker scheint das Team nun sehr stark aufgestellt zu sein. In den vorherigen Jahren konzentrierte sich die Mannschaft hauptsächlich auf Etappenrennen, doch mit Fahrern wie Lazkano, Meeus, Pithie, Van Poppel und den Van Dijkes zielen sie nun auch auf Rennen wie Paris-Roubaix und die Tour von Flandern ab. Wenn Moscon zu alter Form zurückkehren kann, haben sie mit ihm einen weiteren starken Fahrer in ihrem Aufgebot.
Die Ardennen-Mannschaft ist ebenfalls gut vorbereitet. Wenn Roglic für April Zielsetzungen hat, ist er immer ein potenzieller Sieganwärter. Doch auch mit Martínez, Vlasov, Pellizzari, Lazkano, Hindley, Fisher-Black und Adrià gibt es genug Optionen im Team. Bei den Sprintern wurden Verbesserungen mit Blick auf die Anfahrt erzielt, die nun die starken Zwillinge von Visma | Lease a Bike und Pithie umfasst. Welsford und Meeus bringen die nötige Geschwindigkeit, und mit zusätzlicher Unterstützung sollte dies in mehr Siegen resultieren.
Was die Grand Tours angeht, liegen alle Augen auf Roglic. Der Slowene träumt weiterhin vom gelben Trikot, obwohl fraglich bleibt, ob dies realistisch ist. Doch er ist nicht die einzige Karte, die das Team spielen kann. Mit dem ehemaligen Giro-Sieger Hindley, Podiumsaspirant Martínez und jungen Talenten wie Pellizzari und Lipowitz gibt es genug Qualität im Team, um bei allen Grand Tours stark aufgestellt zu sein. Auch Adrià und Fisher-Black könnten hier beitragen, auch wenn unklar bleibt, auf welchen Bereich sie ihren Fokus legen werden. Dennoch ist Red Bull-BORA-hansgrohe mit diesen Neuzugängen eines der spannendsten Teams für 2025.